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Bericht aus dem Maschinenraum #2

Aktualisiert: 6. Apr. 2020

„80 Prozent der deutschen Kommunen ohne Notfallplan“. So titelte die ‚Welt am Sonntag‘ am vergangenen Wochenende. Der Bericht basiert auf einer Forsa-Umfrage unter 2.300 Städten. Die aktuelle Umfrage kommt zunächst zu dem Ergebnis, dass in Deutschland kleinere Städte und Gemeinden schlechter auf Krisen vorbereitet sind als Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Das verwundert nicht: Krisenmanagement ist ressourcenintensiv und somit eher eine Domäne größerer Städte. Außerdem ist die Vulnerabilität von hoch verdichteten Städten, in denen Wohnquartiere, Industrie- und Gewerbeflächen, Flächen für Mobilität, Freizeit und Erholung auf das engste miteinander verwoben sind, deutlich größer.

Was jedoch Besorgnis erregen muss, sind die weiteren Erkenntnisse der Umfrage: „Knapp 80 Prozent der Bürgermeister von Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern gaben an, dass sie über entsprechende Pläne verfügten.“ So weit, so gut. Aber: „Selbst dort, wo es entsprechende Notfallpläne gebe, seien nur rund ein Viertel nach Meinung der Bürgermeister ‚weitgehend‘ anwendbar. In knapp 70 Prozent der Kommunen wären die Pläne nur ‚teilweise‘ anwendbar. Knapp sechs Prozent der Befragten gaben an, dass sie die Notfallpläne ‚überhaupt nicht‘ nutzen könnten.“

Die Umfrage zeigt nur die Spitze des Eisbergs. Kommunales Krisen- und Katastrophenmanagement ist trotz einer durch den Landesgesetzgeber klar zugeordneten Zuständigkeit in vielen kommunalen Gebietskörperschaften ein eher untergeordnetes Thema. Man überlässt es der Feuerwehr und verkennt die wichtige Rolle der Gesamtverwaltung im Krisenfall. Allerdings muss man den deutschen Kommunen zugestehen, dass sie auch ohne strukturierte Vorbereitung und ohne das Einüben der Bewältigung komplexer Krisenszenarien ihre Verantwortung in der Krise erstaunlich professionell wahrnehmen. Das ‚Abarbeiten‘ der sog. ‚Flüchtlingskrise‘ 2015/2016, also die Unterbringung, Versorgung, soziale Begleitung und nach wie vor stattfindende Integration von Tausenden von Flüchtlingen, ist dafür ein beredtes Beispiel. Improvisation auf hohem Niveau ist wohl auch eine Stärke kommunaler Selbstverwaltung.

Doch bei allem Selbstbewusstsein der städtischen Krisen-Verantwortlichen sind die Existenz einer ausgereiften Katastrophenschutzplanung (incl. Pandemieplanung) und eines eingespielten Krisen- und Katastrophenschutzmanagements bei der Beherrschung komplexer Lagen unverzichtbar. Denn Improvisation findet dort ihre Grenze, wo die Dynamik und Komplexität der Lageentwicklung weiterhin planvolles Handeln erforderlich werden lässt.

Die Stadt Essen hat den 2009 erstellten Pandemieplan in den letzten Jahren immer wieder fortgeschrieben und profitiert nunmehr sowohl strukturell als auch prozessual von den gedanklichen Vorarbeiten der Vergangenheit. Selbstverständlich mussten in der aktuellen Krise eine Reihe von Anpassungen der Pandemieplanung vorgenommen werden und ebenso selbstverständlich erfordert die sich ständig verändernde Lage auch spontane und kreative Abweichungen von den planerischen Vorgaben. Aber das vorgefertigte Gerüst gibt den Handelnden die notwendige Sicherheit bei ihrem verantwortungsvollen Tun in der Krise.

Aber auch Schwächen müssen eingeräumt werden. So liegen die Übungsintervalle des Krisenstabs der Stadt deutlich zu weit auseinander. Zudem werden die Krisenstabsübungen maximal in zwei Besetzungen durchgeführt, womit eine notwendige 24-Stunden-Abdeckung nicht erreicht wird. Behördenübergreifende Übungen finden nicht oder sehr selten statt. Und auch die Einbeziehung der Krisenstäbe der Kritischen Infrastruktur war bisher nicht Gegenstand diverser Übungsszenarien. Fehlanzeige ist auch bei der Frage nach einem Curriculum zur Vorbereitung der Stabsmitglieder auf ihre Aufgabe im Krisenstab zu vermelden.

Halten wir fest: ständig aktualisierte Notfallplanungen sind ein unverzichtbares Fundament jeglichen kommunalen Krisenmanagements und die Krise muss kontinuierlich in der gesamten Verwaltung unter Einschluss anderer Behörden und Unternehmen der Kritischen Infrastruktur geübt werden.

Warum dies nicht so ist?! Dazu morgen mehr.

Christian Kromberg, Beigeordneter der Stadt Essen







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