top of page
Suche

Bericht aus dem Maschinenraum #9

Was erwartet uns am Ende des Tunnels? Vor nunmehr gut einem Monat hat das sukzessive Absenken des gesellschaftlichen und ökonomischen Lebens in unserem Staat, unserem Land und unserer Stadt begonnen. Es kommt einem wie eine lange Fahrt durch eine Tunnelröhre vor, man ist von allen Seiten umschlossen, kein Sonnenstrahl dringt in die Dunkelheit, es gibt nur eine Richtung, die Fahrt zieht sich und die Sehnsucht nach dem Ausgang aus der Enge wird immer größer. Und dann?

Die Spekulationen über den Ausstieg, das ‚wann‘ und ‚wie‘ und ‚wie lange‘, beherrschen die mediale Berichterstattung seit Beginn des Einstiegs in den Maßnahmenkatalog zur Hemmung der ungebremsten Ausbreitung des Coronavirus. Wer hat sich nicht schon alles geäußert: Politiker, Virologen, Ökonomen, Juristen, Philosophen, Künstler. Habe ich jemanden vergessen? Mit Sicherheit!

Und der Wettbewerb um die beste, die erfolgversprechendste (Ausstiegs-)Strategie wird hinter den Kulissen, aber auch auf der politischen Bühne genauso erbittert geführt, wie wir ihn schon beim Einstig in den Shutdown haben erleben müssen. Hier soll daher nicht wiederholt werden, was man ausführlicher und vielleicht auch ‚tiefschürfender‘ in den überregionalen und regionalen Medien nachlesen, nachhören und nachsehen kann. Erlaubt sei aber ein Beitrag aus der kommunalen ‚Dackelperspektive‘. Denn egal, welcher Strategie man folgt, die Umsetzung wird nun mal in den Städten erfolgen müssen, hier wird sich entscheiden, ob nachher gesagt werden kann: „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert!“

Welches sind nun die Aspekte, die Land und Bund mit Blick auf die Kommunen beim ‚Hochfahren‘ der Städte unabdingbar berücksichtigen müssen?

1. Wir brauchen Zeit: Unsere Verwaltung, aber auch unsere Tochtergesellschaften laufen größtenteils im Notbetrieb. Das ist die eine Seite der Medaille. Andere Bereiche, genannt seien beispielsweise nur das Gesundheitsamt, die Feuerwehr und das Ordnungsamt sind seit Wochen im Krisenmodus und bewältigen in Stäben, Lage- und Koordinationszentren die Herausforderungen zur Bekämpfung der Pandemie. In beiden Fällen ist ein unmittelbares ‚Umlegen des Schalters‘ unmöglich, die Rückkehr in den Normalbetrieb ein zeitaufwendiges Unterfangen. Allein die Ruhrbahn, als ÖPNV-Dienstleister in unserer Stadt, benötigt nach Aussagen des Vorstands mindestens 14 Tage, um das Leistungsniveau der ‚Vor-Corona-Zeit‘ wieder zu erreichen. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, ob der ÖPNV – wie wir ihn kennen – in Zeiten einer neuen Hygiene- und Abstandskultur überhaupt so weiterbetrieben werden kann und darf. Gleiches gilt auch für die Kernverwaltung. Werden Großraumbüros überhaupt noch möglich sein, werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die ‚alten‘ Formen der Arbeit überhaupt noch akzeptieren? Wird die seit Jahrzehnten postulierte (persönliche) Nähe zum ‚Kunden‘ fortgesetzt werden oder werden wir uns auf digital gestützte Kommunikationskanäle stützen müssen? Aber auch die Krisenverwaltung bedarf eines strukturierten und konsequenten Umbaus. Die bisherige Stabsarbeit muss zügig in eine langfristig funktionierende Regelverwaltung umgewandelt werden, denn der Virus ist ja nicht ‚weg‘. Seine Hemmung muss wahrscheinlich noch über Monate, vielleicht noch Jahre ‚verwaltet‘ werden. Dazu ist eine komplette Neuaufstellung der bisherigen Abteilung ‚Infektionsschutz‘ im Gesundheitsamt erforderlich. All das kostet Zeit!

2. Wir brauchen Orientierung: Bloß nicht noch einmal ein solches Chaos wie auf der ‚Hinreise‘. Über zwei Wochen wussten die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen nicht mehr, was sie (noch) durften und was schon (längst) verboten war. Ich habe den rechtlichen Weg bis zum endgültigen Shutdown in meinem Blog #5 ausführlich beschrieben. Die ‚Rückreise‘ sollte daher anders verlaufen. Die vorzunehmenden Schritte einer Öffnung von Gesellschaft und Wirtschaft müssen im Vorfeld klar benannt und zeitlich fixiert werden, sie müssen landeseinheitlich erfolgen und kommunale Ausreißer müssen strikt unterbunden werden, sie müssen gut kommuniziert werden und zwar in alle Teile unserer Stadtgesellschaft und sie müssen Bestand haben. All das bedarf eines klaren politischen Kompasses!

3. Wir brauchen Zukunft: Der gestrige Tag hat mir die ganze ‚Pathologie‘ der gegenwärtigen Situation sehr deutlich vor Augen geführt. Die Haushaltsgenehmigung der Bezirksregierung erreichte uns mit einem geradezu überschwänglichen Lob für die Anstrengungen unserer erfolgreichen Haushaltskonsolidierung und gleichzeitig hat der Kämmerer für den soeben genehmigten Haushalt eine Haushaltsperre erlassen müssen, um den direkten und indirekten Corona-Belastungen entgegentreten zu können. Das frustet in einer Zeit, in der sich gerade die Städte den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie mit aller Kraft, aber auch vielen Ressourcen entgegenstemmen müssen. Und auch, wenn die ersten Hoffnungsschimmer am Berliner und Düsseldorfer Himmel aufscheinen, muss es hier gesagt werden: All das bedarf ‚Cash in the Tash‘!

Christian Kromberg, Beigeordneter der Stadt Essen



255 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Betragsansicht

bottom of page