Das Grundgesetz macht „Corona-Ferien“ Notwendiges Übel oder demokratische Blaupause?
Seit nun mehr 6 Wochen beherrscht das Coronavirus die Bundesrepublik Deutschland mit einer Wucht, von dessen Auswirkungen und Vorkehrungen der noch so medienwirksamste Virologe vor Monaten wohl keine Vorstellung gehabt hätte. Im Land gelten flächendeckende Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote. Deutschland rückt zusammen, indem es sich distanziert. Man muss sich nicht als Teil der politisch linken Szene verstehen, um sich einmal die Frage zu stellen, warum die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nahezu stillschweigend die vorherrschenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens und des Grundgesetztes, welche fundamentale Säulen des demokratischen Systems sind, hinnehmen. So kommt es dazu, dass die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 starke Beschneidungen der Bewegungs- und Reisefreiheit, der Religionsfreiheit, dem Demonstrationsrecht und der Wahrnehmung von Kultur- und Freizeitangeboten fordern. Es kommt schon fast paradox daher, dass die jüngsten Zahlen des ZDF-Politbarometers eine Einstellung der Bürger darlegen, welche wenig mit einer Art „Aufbegehren“ zu tun hat.
So zeigen sich 55% der Befragten zufrieden mit den ersten Lockerungen in den Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen, 30% geben gar an, man habe zu viel gelockert. Darüber hinaus hält der überwiegende Anteil der Befragten ein weiterbestehendes Verbot für Gottesdienstbesuche, der Öffnung von Gastronomie und der Durchführung von Großveranstaltungen für richtig. Doch wie kommt es zu dieser schier regungslosen Zustimmungsform der Selbstbeschneidung? Deutschlands BürgerInnen haben die Bilder aus Norditalien und New York, die überfüllten Intensivstationen und das Abtransportieren unzähliger Leichen aus Krankenhaushinterhöfen vor Augen. Haben sie keine Sorge um die eigene persönliche Unversehrtheit, so haben sie mindestens Sorge um ihre Angehörigen, besonders jene, welcher der Risikogruppe zuzuschreiben sind. Sie möchten stückweise ihren Alltag zurück und möchten sich eben nicht mit dem „new normal“ zufriedengeben, sodass sie zur Gewährleistung dessen, die aktuell anhaltenden Maßnahmen und Einschränkungen als Notwendigkeit betrachten. Gerade in Krisenzeiten ist das Auftreten einer starken und verantwortungsvollen Regierung notwendig. Transparenz, Information und Unterstützung dem Bürger gegenüber auf der einen Seite, durchgreifende und zögerungsfreie Handlungen und Maßnahmen auf der anderen. Aktuelle Umfragewerten unterstreichen die Zufriedenheit der Bürger mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung, nicht umsonst zeigt sich ein Umfrageplus der Union und selbst die Kanzlerin erfreut sich zu Ende ihrer Amtszeit an einem Beliebtheitshoch. Die Bundesregierung schafft es derzeit den Bürgern ein Konzept zu vermitteln, was sie verstehen und annehmen, wenngleich Machtkämpfe hinter verschlossenen Türen im Hinblick auf die bevorstehenden Parlamentswahlen in dem aktuellen Kontext nicht angebracht sind. Es bleibt wohl nur abzuwarten, inwieweit die Maßnahmen auf Dauer Früchte tragen und die Infektionszahlen kontrollierbar bleiben. Ein aktueller Verdopplungszeitraum von 14 Tagen sowie eine derzeitig freie Kapazität von 41% Intensivbetten (zeit online, 26.04.2020, https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020-04/coronavirus-aktuell-infektionen-ausbreitung-live) machen jedenfalls Hoffnung. In jedem Falle wird es darauf ankommen von allen Seiten Geduld und einen ausreichend langen Atem zu beweisen, damit aus dem „new normal“ vielleicht bald ein „new old normal“ werden kann.