Die fünf häufigsten Fehler im betrieblichen Krisenmanagement
In jedem Unternehmen ist die Ausgangslage anders, doch bei vielen Mittelständlern stellt sie sich etwa so dar: Fertige Business Continuity oder Krisenmanagement-Pläne sind oft nur rudimentär vorhanden oder passen nicht zum aktuellen Szenario, weil sie meist auf akute Krisen (Produktrückruf, Feuer, IT-Ausfall) zielen und damit nicht auf so genannte „slow burning crisis“ Situationen anwendbar sind. Ein Krisenteam ist benannt, aber in der aktuellen Corona-Krise „ist es dann doch irgendwie anders gekommen“ und die Geschäftsführung kümmert sich selbst um alles. Und oft funktioniert das auch gar nicht so schlecht: Die gestrige Beschreibung von Christian Kromberg (Bericht aus dem Maschinenraum #2), wonach deutsche Kommunen „… auch ohne strukturierte Vorbereitung und ohne das Einüben der Bewältigung komplexer Krisenszenarien ihre Verantwortung erstaunlich professionell wahrnehmen“, kann ich für viele Unternehmen auch so bestätigen. Improvisation gelingt auch hier gut.
Es gibt aber typische Fehler, die beim Improvisieren gehäuft vorkommen und die nun korrigiert werden sollten. Hier möchte ich die fünf m.E. häufigsten Fehler und dazu passende Lösungsmöglichkeiten beleuchten.
Fehler 1: Falsches Setup
Eine passende Organisationsform zu finden ist für die Krisenarbeit essenziell. Professionelle Krisenstäbe von Sicherheitsorganisationen sind hochgradig vorstrukturiert, jeder Mitarbeitende dort hat seinen vordefinierten Platz und bearbeitet auf eine vordefinierte Weise seine Aufgaben. Ein solches Setup haben KMUs in der Regel nicht. So entstehen dann unter dem Druck der Ereignisse Strukturen, die einer möglichst effizienten Krisenbearbeitung später im Wege stehen können. Oft arbeiten die falschen Menschen an den falschen Themen. Zum Beispiel tagt in einigen Unternehmen die Geschäftsführung nahezu permanent. Sie kümmert sich sowohl darum, ob man nun irgendwoher Masken bekommen könnte als auch um die Beantragung von Kurzarbeitergeld und die Beschaffung von Laptops für Home Office.
Mein Tipp:
Trennen Sie zwei Ebenen, nämlich die strategische Ebene (Geschäftsführung) und die taktisch-operative Ebene (Erarbeitung von Plänen, Ausführung und Umsetzung). Auf der strategischen Ebene geht es darum, übergeordnete Ziele zu definieren und grundsätzliche Entscheidungen zu treffen, die den Kurs des Unternehmens in der Situation betreffen. Auch die Freigabe von Vorschlägen, die auf der taktisch-operativen Ebene erarbeitet werden, sollte hier erfolgen, sofern ein bestimmter und definierter Budget Impact erreicht ist. Der eigentliche Krisenstab, den man auch gern „Arbeitsstab Corona“, „Task Force Corona“ oder „Arbeitsgruppe“ nennen kann, hat andere Aufgaben: Hier wird ein aktuelles Lagebild erstellt (auch für die Geschäftsführung) und es werden im kleinen Kreis cross-funktional auf Ebene Sachbearbeiter / Experte sämtliche Themen operativ bearbeitet, die anfallen.
Beide Gremien sollten nach dem Meet-Break-Meet-Konzept arbeiten und nicht permanent tagen. So wird die Arbeit effektiver.
Fehler 2: zu langsam
Gelegentlich werden Themen zu zögerlich angegangen. Es besteht das Gefühl, dass es noch nicht an der Zeit ist oder der Plan noch nicht gut genug ist. So hat es in einigen Unternehmen zu lange gedauert, bis räumliche Trennungen durchgeführt wurden oder Pläne entwickelt wurden, was genau zu tun ist, wenn ein Mitarbeitender infiziert ist.
Unser Tipp: Starten Sie die Maßnahmen sofort, auch wenn sie noch nicht perfekt sind. Die ersten zu erwartenden Infektionen kommen in den nächsten Tagen!
Themen, die aus unserer Sicht schnellstmöglich geregelt sein müssen, sind:
physische Trennung von Mitarbeitenden,
Home Office für möglichst viele Mitarbeitende und Bereitstellen entsprechender Bandbreite, wenn Sie VPN-Lösungen nutzen,
Festlegung von Kernbereichen, die nicht heruntergefahren werden können mit den entsprechenden Verantwortlichen und Vertreterregeln,
Procedere für die Situation, dass sich ein Mitarbeitender mit typischen Corona-Symptomen krank meldet (Kommunikationskaskaden, Zuständigkeiten für Maßnahmen etc.)
genaue Procedere für die Situation, dass sich Mitarbeitende während der Arbeit mit typischen Symptomen krank melden
Fehler 3: Zu kurzsichtig
Ein weiterer Fehler ist, ausschließlich „auf Sicht zu fahren“. Unter der Menge der zu regelnden Details geht der Blick für die Themen, die das Unternehmen in einigen Tagen beschäftigen werden, verloren. Bei Krisenmanagement dieser Art wird es dem Unternehmen nicht gelingen, „vor die Welle“ zu kommen. Das ist aber eines der wichtigsten Anliegen im Krisenmanagement, weil man nur „vor der Welle“ noch steuern kann. Wenn man auf Sicht fährt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, unter die Welle zu geraten und dann keine aktiven Steuerungsmöglichkeiten mehr zu haben.
Mein Tipp: Nehmen Sie sich im Krisenstab in kleiner Runde regelmäßig, zum Beispiel täglich abends, die Zeit, gemeinsam darüber nachzudenken, wie sich die Krise wohl entwickeln wird und welche Themen daraus für die nächste Zeit, zum Beispiel die nächste Woche, hervorgehen. So können Sie sich bei Zeiten darauf einstellen. Ebenfalls sollten Sie hier darüber nachdenken, welche Konsequenzen Ihre aktuellen Entscheidungen voraussichtlich in fernerer Zukunft haben werden.
„Aus der Praxis“: Ein Beispiel für ein typisches Zukunftsthema ist der Umgang mit Mitarbeitenden, die zu einer Risikogruppe gehören (Alter und Vorerkrankungen). Wie können Sie als Unternehmen diese Mitarbeitenden identifizieren und besonders schützen? Dieses Thema ist hoch komplex und hat zahlreiche juristische und praktische Implikationen sowie einen unter Umständen hohen Budget Impact für Unternehmen. Hier kann der Krisenstab Vorschläge erarbeiten, die von der Geschäftsführung bewertet und entschieden werden müssen.
Fehler 4: falsche Führung
Dieser Punkt hat viele Aspekte. Zuerst kann man hier über die Führung des Krisenstabs nachdenken. Ohne entsprechende Übung ist das schwierig. Oft sind die Sitzungen zu lang, Diskussionen drehen sich im Kreis und es ist unklar, was denn schlussendlich entschieden wurde.
Mein Tipp:
Geben Sie Ihren Krisenstabssitzungen eine sehr strikte Agenda und einen festen zeitlichen Rahmen.
Führung ist in Krisenzeiten ist aber auch ganz allgemein eine entscheidende Stellgröße. Ihre Mitarbeitenden sind verunsichert, haben Zukunftsängste und müssen sich in einer grundsätzlich neuen Situation zurechtfinden. Hier sind die Führungskräfte gefordert. Diesen fehlt aber oft die Erfahrung damit, Mitarbeitende im Home Office zu führen oder Emotionen zu adressieren. Im schlimmsten Fall tauchen Führungskräfte ab und kommunizieren nur schriftlich die neuesten organisatorischen Änderungen. Ein Rückgang des Vertrauens und der Motivation der Mitarbeitenden wird die direkte Folge sein.
Mein Tipp:
Legen Sie viel Wert auf Ihre interne Kommunikation. Verstärken Sie die interne Kommunikation auf allen Ebenen. Auch der „Tone from the top“ ist hier wichtig. Video-Botschaften können eine angemessene Lösung sein. Seien Sie in Ihrer Kommunikation empathisch, klar, zuversichtlich und positiv. Senden Sie Signale hoher Wertschätzung. Ihre Mitarbeitenden werden das dankbar aufnehmen. Unsere Empfehlung: lassen Sie sich im Bereich der Kommunikation professionell begleiten / coachen – Statements sollten hinsichtlich möglicher negativer Assoziationsketten hin geprüft werden.
Fehler 5: Zu analog
Immer noch treffen sich viele Geschäftsführer und Mitarbeitende der Krisenstäbe physisch in einem Raum, um miteinander zu arbeiten. Dabei lassen sich die empfohlenen Distanzen von zwei Metern meist nicht sinnvoll einhalten. Dies ist hoch riskant, und zwar sowohl auf Geschäftsführer-Ebene (Strategie) als auch für den taktisch-operativen Krisenstab.
Mein Tipp:
Arbeiten Sie digital zusammen! Nutzen Sie dazu geeignete Krisenmanagement-Software oder auch web-based Meeting Softwares, um einen gleichen Informationsstand und ein klares Aufgabentracking zu gewährleisten.
